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Erdöl - Viele Manöver lenken Angebot und Preis

ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 03 vom 19.03.2018


Steigende Ölpreise seit Jahresbeginn

Der Ölpreis hat seine Talsohle durchschritten - er zieht wieder an. 1970 lag der Jahresdurchschnittspreis für ein Barrel (159 Liter) OPC-Rohöl bei 1,2 US-Dollar. Seinen absoluten Höhepunkt erklomm der Ölpreis 2012, als er mit dem Rekordhoch von 109,5 US-Dollar die Hundertermarke überschritt und seinen Gipfel erreichte. Freilich ging es dann wieder bergab. In sein Zwölfjahrestief rutschte er Anfang 2016, als er fast erdrutschartig unter 30 US-Dollar fiel. Seither rappelt er sich im Trend wieder auf und erreichte 2017 die Mittelstation mit 50,7 US-Dollar.
Für viele ölproduzierende Staaten hat der Ölpreis damit bei weitem nicht genug an Höhe erklommen. Um einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, bräuchten etliche OPEC-Länder einen deutlich höheren Ölpreis. Für Venezuela beispielsweise, dessen Ölproduktion massiv eingebrochen ist, wäre ein Preis von 117,5 US-Dollar pro Barrel nötig. In den vergangenen 20 Jahren ist die Erdölförderung in Venezuela um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Noch schlimmer ist es in Nigeria; dort wären sogar 139 US-Dollar pro Barrel nötig. Selbst das reiche Saudi-Arabien sehnt sich nach einem Anstieg des Ölpreises auf über 80 US-Dollar.
Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) und zehn weitere Staaten, darunter Russland, reißen sich seit etlichen Monaten am Riemen und manipulieren das Angebot. Auch in diesem Jahr setzen sie die selbst auferlegte Förderdrosselung fort, um die Preise weiter stabil zu halten. Mit Erfolg: seit Ende Oktober hält sich der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent konstant über 60 US-Dollar.
Die jüngste Kältewelle, die der russische Wettergott in Sibirien losschickte und die weite Teile Europas frieren lässt, tut ihr Übriges, um die Ölnachfrage anzuheizen und die Lagerbestände abzubauen. Es klappt: Kurzfristig betrachtet steigen die Ölpreise seit Jahresbeginn 2018. Der durchschnittliche Preis für drei führende Rohölsorten kletterte um 8,8 Prozent auf 54,42 Euro je Barrel. [Abb. 1], (1), (2)


Venezuela führt Kryptowährung ein

Ein genauerer, kritischer Block auf Venezuela, das erdölreichste Land der Welt, lohnt sich. Die heimische Währung, der Bolivar, büßt immer weiter an Wert ein. Die Inflation galoppiert. Es mangelt an Lebensmitteln, Medikamenten und Dingen des täglichen Bedarfs. Die Bevölkerung ist erbost. Nun zeigt sich der Staat, eine linke Militärregierung, erfinderisch. Sie führte im Februar eine Kryptowährung ein, den so genannten Petro. Er ist mit Öl besichert, staatseigen, soll wertstabiler und widerstandsfähiger gegen ausländische Einflüsse sein. Wer soll an der Kryptowährung teilnehmen? Staatseigene Unternehmen wie beispielsweise der Ölkonzern Petroleos müssen einen Teil ihrer Käufe und Verkäufe mit dem Petro abwickeln. Inländische Fluggesellschaften können ihren Treibstoff in Petro bezahlen, bei Konsulardiensten und Tourismusdienstleistungen kann er verwendet werden.
Dem ursprünglichen Charakter einer Kryptowährung entspricht der Petro jedenfalls nicht. Eine Kryptowährung ist zwar in der Tat eine alternative Währung zu Euro oder Dollar, sie ist Geld in Form eines digitalen Zahlungsmittels und ermöglicht einen Zahlungsverkehr ohne eine Zentralinstanz, wie sie im normalen Geldverkehr die Bank darstellt. Und genau da liegt der erste Haken: Beim Petro mischt eine zentrale Institution mit, nämlich der venezolanische Staat. Der zweite: Eine Kryptowährung hat keinen eigenen Wert per se. Er entsteht nur dadurch, dass die Handelspartner sie akzeptieren und ihr vertrauen, obwohl die Nutzer anonym bleiben. Auch das scheint nicht gewährleistet, da es verpflichtende Teilnehmer gibt. Und der dritte Haken: Eine Kryptowährung ist nicht besichert. Der Petro hingegen ist besichert durch Öl. [Abb. 2], (3), (4)


Viel Spekulation im Markt

Börsenspekulanten treiben den Rohölpreis derzeit nach oben. Marktbeobachter sprechen von managed money. Was geht vor sich? Nun, Banken, Hedge Fonds und andere kaufen Papiere, die auf eine bestimmte Richtung der Ölpreisentwicklung setzen (Futures), eine Absicht auf physische Lieferung verfolgen sie natürlich nicht. Aber sie erwarten eine anhaltend robuste Nachfrage mit entsprechender Preisentwicklung. Allein im vergangenen halben Jahr haben sie Positionen in Kontrakten aufgebaut, die fast einer Milliarde Barrel Rohöl bestimmter Sorten entsprechen. Mittlerweile kostet Rohöl (Brent), das jetzt gekauft wird, mehr als solches, das für spätere Lieferungen vorgesehen ist. Das signalisiert ein knappes Angebot und bringt den Ölspekulanten satte Gewinne, weil sie teure Kontrakte in billigere übertragen und so jeden Monat durch die Differenz kassieren. Einen Applaus für die OPEC-Politik, die mit ihren Fördereinschränkungen kräftig mithilft! (5)


Nachfrage wird noch etliche Jahre zulegen

Die Nachfrage hat dank starker Konjunktur in Asien und hohem Bedarf der petrochemischen Industrie in den Vereinigten Staaten angezogen. Die Lagerbestände sinken. Dieser Trend könnte noch etliche Jahre anhalten. Allein die Anzahl der Fahrzeuge, die auf den Straßen weltweit unterwegs sind, wird sich bis 2040 verdoppeln. Da voraussichtlich zunehmend Erdgas und Strom anstelle von Öl genutzt werden, wird die Energienachfrage des Verkehrssektors nur um 25 Prozent wachsen. Dennoch dominiert bis 2040 der Öl-basierte Kraftstoff und hat einen Anteil von rund 85 Prozent. Elektrofahrzeuge werden dann einen Anteil von 15 Prozent an der weltweiten Fahrzeugflotte haben. Die Ölnachfrage wird 2040 aber auf alle Fälle höher sein als heute. Die Entwicklungen im Verkehrssektor werden die Nachfrage allmählich dämpfen. Elektroautos, selbstfahrende Autos, Carsharing, Verkaufsverbots für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, Elektrobusse im Nahverkehr und LKW, die mit verflüssigtem Erdgas angetrieben werden, stabilisieren die Ölnachfrage ab 2040 heißt es im aktuellen BP Energy Outlook. (6), (7), (8)


Ausweitung der Förderung außerhalb der OPEC

Die USA, Brasilien, Kanada und Norwegen weiten ihre Ölförderung aus. Die USA können dank der boomenden Schieferölförderung allein rund 80 Prozent des gestiegenen Bedarfs abdecken, errechnet die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem aktuellen Ölmarktbericht. Auch die Ölsandprojekte in Kanada und die Offshore-Anlagen in Brasilien laufen auf Hochtouren. Zu den fünf größten ölproduzierenden Ländern zählen die USA, Saudi-Arabien, Russland, Iran und Irak. Die größten Reserven schlummern in Venezuela, Saudi-Arabien, Kanada, Iran und Irak. Die Reservekapazität nimmt ab. Sie könnte im Jahr 2023 noch bei 2,2 Prozent des Bedarfs liegen, warnt die Internationale Energieagentur. (9)


USA: Erdölförderung in Küstengewässern

Die US-amerikanische Rohölproduktion stellte im Februar 2018 mit 10,27 Millionen Fass/Tag einen neuen Rekord auf. Der amerikanische Präsident treibt die Ölförderung im eigenen Land immer weiter an. Das Öl soll gefördert werden, koste es, was es wolle. Gas natürlich auch. Prompt hat Mr. Trump beschlossen, in den Küstengewässern rund um die USA die Offshore-Exploration und Förderung von Öl und Gas völlig freizugeben und einen entsprechenden Gesetzesentwurf erarbeiten lassen. Demnach würde die Versteigerung von insgesamt 47 Offshore-Bohrkonzessionen die Förderung fossiler Energieträger in mehr als 90 Prozent der US-Küstengewässer ermöglichen. Die Umwelt und touristische Aspekte sind ihm dabei unwichtig - den Gouverneuren der betroffenen Staaten Florida, Virginia, New Jersey, North Carolina und Kalifornien hingegen schon. Sie werden voraussichtlich umsichtiger handeln als Mr. Trump twittert. Nebenbei bemerkt: Außenminister Tillerson, ehemaliger Exxon-Mobil-Chef und einer der wenigen verbliebenen mäßigenden Kräfte in Trumps Kabinett, ist jetzt auch Geschichte.
Die Ölförderung der USA dürfte in den Jahren 2018/19 einen neuen Höhepunkt erreichen, mit oder ohne neue küstennahe Offshore-Projekte. Seit Jahren und noch immer wird reichlich Öl aus unkonventionellen Vorkommen gefördert. Die Ölproduktion dürfte im laufenden Jahr um 1,4 Millionen Barrel pro Tag auf 10,4 Millionen Barrel pro Tag steigen. In Houston, der texanischen Öl-Metropole, trafen sich Anfang März die Ölminister vieler OPEC-Länder mit Vertretern der US-Schieferölindustrie - die einen skeptisch, die anderen selbstsicher. Für viele OPEC-Mitglieder ist die neue Öl-Realität noch ein Buch mit sieben Siegeln. So ganz verstanden haben sie das Schieferölgeschäft noch nicht. Den Amerikanern dürfte das egal sein. Sie haben es geschafft, sich unabhängig zu machen. [Abb. 3]
Senken wir den Blick auf der Landkarte zum Abschluss kurz einmal leicht südlich: Belize, das kleine mittelamerikanische Land am karibischen Meer und Nachbar Mexikos, scheint sich dem Naturschatz vor seiner Küste hingegen bewusst zu sein. Die Korallenriffe sollen geschützt werden! Daher kündigte Belizes Regierung an, alle Ölförderaktivitäten zu beenden. (10), (11)





Fallbeispiele

Im Ranking der börsennotierten Ölförderunternehmen folgen Exxon Mobil, PetroChina, BP, Royal Dutch Shell, Chevron, Petrobras und Lukoil. (12)

Die Ölkonzerne haben ihre Hausaufgaben gemacht und ihre Kosten drastisch gesenkt. Jetzt klopfen sie sich angesichts der stattlichen Gewinne 2017 wieder auf die Schulter. Exxon Mobil, Shell, Chevron, BP und Total konnten ihre Gewinne 2017 gegenüber dem Vorjahr auf über 53 Milliarden Dollar verdreifachen. (1)

Die russische Gazprom förderte 2017 rund 8,38 Millionen Barrel, Rosneft rund fünf. (12)

Royal Dutch Shell kann durchatmen. Die Übernahme des britischen Spezialisten für Flüssiggas BG Group fiel in eine schwere Zeit. Dennoch ist es gelungen, die Schuldenlast zu reduzieren und die Dividende konstant zu halten. Der britisch-niederländische Ölkonzern nimmt Konkurrent Exxon ins Visier. Der Abstand soll verkürzt werden. Die Zeit ist günstig, denn der Rivale schwächelt. Die Börsenwerte beider börsennotierten Ölgiganten liegen dicht beieinander. (13)

Dänemark beendet nach 80 Jahren die Suche nach Öl und Gas an Land und in Küstennähe. Die Förderung in der Nordsee läuft weiter. Hier liegt noch hohes Potenzial. (14)

Das Explorationsunternehmen Deutsche Erdöl AG (DEA) hat sich mit dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium auf einen Kompromiss bei den umstrittenen Bohrungen im schleswig-holsteinischen Wattenmeer geeinigt. Die Aufsuchungserlaubnis nach Erdöl und -gas für das Feld Heide-Restfläche wird bis 2020 verlängert, DEA wird aber die ursprünglich geplanten Explorationsbohrungen im Nationalpark außerhalb der Mittelplate nicht mehr verfolgen. (15)

Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Die Ölpreise steigen seit Jahresbeginn wieder

Quelle: Quelle: OPEC, IEA, BP, SWF Institute, Fitch, Highmark Capital, Capital, IWF Entnommen aus: Handelsblatt, 219/2017, S. 24 (2)
Abbildung 2: Top ausgewählte Länder nach Ölproduktion 2016
US-Barrel pro TagAnteil
Landin Millionenin Prozent
Venezuela300,917,6
Saudi-Arabien266,515,6
Kanada171,510,0
Iran158,49,3
Irak153,09,0
Russland109,56,4
Kuwait101,55,9
Vereinigte Arabische Emirate97,85,7
Libyen48,42,8
USA48,02,8
Nigeria37,12,2
Kasachstan30,01,8
China25,71,5
Katar25,21,5
Brasilien12,60,7

Quelle: OPEC, IEA, BP, SWF Institute, Fitch, Highmark Capital, Capital, IWF Entnommen aus: Handelsblatt, 219/2017, S. 24 (2)
Abbildung 3: Top Länder nach Erdölreserven 2016
US-Barrel pro TagAnteil
Landin Millionenin Prozent
USA12,413,4
Saudi-Arabien12,313,4
Russland11,212,2
Iran4,65,0
Irak4,54,8
Kanada4,54,8
Vereinigte Arabische Emirate4,14,4
China4,04,3
Kuwait3,13,4
Brasilien2,62,8
Mexiko2,52,7
Venezuela2,42,6
Nigeria2,12,2
Norwegen2,02,2
Katar1,92,1
Weltweit92,2

Quelle: OPEC, IEA, BP, SWF Institute, Fitch, Highmark Capital, Capital, IWF Entnommen aus: Handelsblatt, 219/2017, S. 24 (2)

Weiterführende Literatur:

(1.) Später Kursrutsch im Dax. Der US-Präsident lässt die Börsen in die Verlustzone drehen. Energieaktien sind dennoch gefragt.
aus Handelsblatt Nr. 052 vom 14.03.2018 Seite 036

(2.) International: Top Rohölpreise, Ölproduktion, Erdölreserven und Staatsfonds 1970-2017
aus Handelsblatt, 219/2017, S. 24

(3.) Venezuela führt Kryptowährung ein - und verdient Millionen
aus Edison online 21.02.2018 um 16:19:00 Uhr

(4.) Blockchain-Technologie und digitales Geld - Zukunftsmusik, die allmählich lauter wird
aus GENIOS BranchenWissen Nr. 01 vom 31.01.2018

(5.) Ölpreis - Viel "managed money" im Markt
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 02/2018, S. 60

(6.) Kosten für Energierohstoffe steigen weiter
aus energate vom 19.02.2018

(7.) BP Energy Outlook 2040: Erneuerbare wachsen am schnellsten
aus www.powernews.org Meldung vom 21.02.2018 - 16:23

(8.) Über 300 Mio. Elektrofahrzeuge bis 2040
aus www.powernews.org Meldung vom 21.02.2018 - 17:46

(9.) USA werden den Ölmarkt dominieren
aus energate vom 05.03.2018

(10.) Rekord-Förderung in den USA - Reichlich Öl und Gas
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 02/2018, S. 60

(11.) Energiepläne der US-Regierung stoßen auf Widerstand
aus neue energie, Heft 2/2018, S. 65

(12.) Tabelle: Top 10 börsennotierte Energieunternehmen nach Ölförderung 2016
aus Capital, 06/2017, S. 86

(13.) Globales Gipfeltreffen
aus Euro am Sonntag, 03.03.2018, Nr. 9, S. 16 - 21

(14.) Dänemark stoppt Suche nach Öl und Gas
aus energate vom 23.02.2018

(15.) Einigung bei umstrittenen Wattenmeer-Bohrungen
aus energate vom 07.03.2018

Anja Schneider

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 03 vom 19.03.2018
Dokument-ID: s_ene_20180319

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