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Erdöl - OPEC wankt, USA steigen auf

ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 03 vom 21.03.2019


Erdöl ist in unserem Alltag allgegenwärtig

Mitte des 19. Jahrhunderts trat das Erdöl seinen Siegeszug an, denn es ist energiereicher als Kohle, einfacher zu gewinnen und leichter zu verarbeiten. Zunächst wurde es vor allem für Lampen benötigt, dann kam das Automobil. Heute ist Erdöl der wichtigste Rohstoff im Bereich der Verkehrs- und Transportmittelbranche sowie der chemischen Industrie und der Herstellung von Kunststoffen. Längst ist das so genannte schwarze Gold in unserem Alltag allgegenwärtig.
Unsere bunte Plastikwelt basiert weitgehend auf Erdöl, man denke an Plastiktüten und andere Verpackungen wie etwa Brotzeitdosen. Doch auch in Textilien, Sport- und Outdoor-Bekleidung, Bikinis, Badeanzügen, Schuhsohlen, Kaugummi, Wimperntusche, Bodylotion, Duschgel, Kerzen, Grillanzünder, Matratzen, Bettdecken, Kissen, Kugelschreiber und Reinigungsmittel - überall steckt Erdöl drin.
Das Blatt wendet sich ganz allmählich. Einige Länder sagten dem unnötigen Konsum von Plastik den Kampf an. Plastiktüten, Joghurtbecher, Flaschen, Wattestäbchen aus Plastik werden allmählich aus den Haushalten verschwinden. Biomaterialien wie Biokunststoffe, Naturkautschuk bzw. Latex halten Einzug in die Produktion. Der Kauf regionaler Nahrungsmittel reduziert den Güterverkehr. Die Bauisolierung wird immer besser, wärmeabweisende Jalousien und Markisen machen Klimaanlagen obsolet. Energiesparlampen, sparsame Haushaltsgeräte, energiesparende Heizsysteme setzen sich durch. Zur Stromerzeugung nutzen wir Wasserkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Wellen- und Windenergie, emissionsfreie Gas- oder notfalls moderne Kohlekraftwerke. Auch Mobilität ohne Erdöl ist möglich; Autos fahren dann halt mit Brennstoffzellen-, Methan- oder Solarantrieb.


Ist die OPEC ein Auslaufmodell?

Noch kontrolliert die OPEC (Organisation Erdölproduzierender Länder) 40 Prozent der Ölreserven und 60 Prozent des Handels. Doch das etablierte Kartell verliert an Macht und Einfluss. Erstmals hat ein Staat seinen Austritt angekündigt, nämlich das vergleichsweise kleine, wirtschaftlich recht gut diversifizierte Qatar. Zum Kartell gehören seit 1960 elf OPEC-Staaten, angeführt von Saudi-Arabien, und zehn andere kartellunabhängige Staaten, allen voran Russland. Seit Ende des Jahres 2016 agiert die OPEC als Verknappungsallianz, der daran gelegen ist, die Rohölfördermengen zu drosseln und so die Rohölpreise am weiteren Verfall zu hindern. Es gelingt; seit Jahresbeginn ist Öl um rund 22 Prozent teurer geworden. Man rechnet in den kommenden Monaten mit einem tendenziell noch weiter ansteigenden Ölpreis. In den Ländern Libyen, Venezuela und Iran ist die Förderung aufgrund amerikanischer Sanktionen, politischer Spannungen und Wirtschaftskrise gefallen. Russland sperrt sich gegen heftigere Förderkürzungen. Auch Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate murren. (1), (2), (3)


Prägen die USA den Ölmarkt der Zukunft?

Die USA hingegen fördern noch immer recht viel Öl. Allerdings mehren sich nach Experteneinschätzung die Anzeichen, dass es im weiteren Jahresverlauf weniger werden wird. Die Zahl der aktiven Bohrlöcher sei seit November 2018 um sechs Prozent auf zuletzt 834 zurückgegangen.
In den vergangenen Jahren sind die USA bereits zum größten Ölproduzenten aufgestiegen. Jetzt sind sie auf dem Weg, auch beim Export in eine Führungsrolle zu schlüpfen. Die Internationale Energy Agency IEA geht davon aus, dass sie in den nächsten fünf Jahren zum zweitgrößten Ölexporteur der Welt vor Russland und knapp hinter Saudi-Arabien werden. Sie werden mit ihrem durch Fracking hochgeholten Schieferöl in diesem Zeitrahmen rund 70 Prozent der zusätzlichen globalen Nachfrage decken. Inzwischen sind nicht mehr nur kleinere Ölgesellschaften in diesem Geschäft tätig, sondern auch die großen Ölkonzerne Exxon und BP.
Die USA sind der siebtgrößte deutsche Rohöllieferant. Das meiste Öl importieren wir nach wie vor aus Russland (36,3 Prozent Anteil), gefolgt von Norwegen. Weitere wichtige Rohöllieferanten für die deutsche Wirtschaft waren zuletzt Großbritannien - allerdings mit einem Anteilsverlust von 22 Prozent! -, Libyen, Nigeria und Aserbeidschan. [Abb. 1], (4), (5)


Ölmarkt ist in Bewegung

Neben der Machteinbuße der OPEC und dem Aufstieg der USA zur Ölmacht prägen noch weitere Veränderungen den Ölmarkt. Während die OPEC-Länder ihre Förderung reduzieren, weiten andere sie aus, so beispielsweise Brasilien, Norwegen, Kanada und Guyana.
Die Zeiten, dass die Abnehmer langfristige Lieferverträge abschließen und Abnahmeverpflichtungen eingehen mussten, sind vorbei. Die Ölmärkte sind flexibler geworden. Die amerikanischen Schieferölproduzenten sind in der Lage, ihre Fördermengen schnell hoch zu fahren und auf Preissignale zu reagieren.
Allen klimapolitischen Anstrengungen und der Ausrichtung der Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger zum Trotz wird die Ölnachfrage noch etliche Jahre steigen. Die Internationale Energiebehörde (IEA) erwartet, dass sie bis zum Jahr 2023 um 6,9 Millionen auf 104,7 Millionen Barrel pro Tag zulegen wird.
Der Ölpreis wird in den nächsten Jahren in etwa stabil bleiben und freilich kurzfristig schwanken. Nach 2023 wird sich nach Einschätzung der IEA die Situation ändern. Dann dürfte sich das Ölangebot deutlich verknappen. Die Schieferölproduktion wird abnehmen, in den konventionellen Lagerstätten wird immer weniger gefördert werden können. Nur große Investitionsanstrengungen könnten diese Entwicklung verhindern. (4), (6)





Fallbeispiele

Der staatliche norwegische Pensionsfonds GPFG hat Investitionen in Aktien von Öl- und Gasfördergesellschaften eine Absage erteilt, um das Anlagevermögen vor einem anhaltenden Verfall des Ölpreises zu bewahren. (7)

Die letzten Bilanzen von Shell, Exxon und der französischen Total wiesen die gewohnten beeindruckenden Gewinne und Renditen aus. (8)

Ein Bündnis aus Umweltverbänden in den Niederlanden bereitet eine Klage gegen Shell vor. Der Ölmulti behindere die internationalen Klimaschutzbemühungen. Sollte Shell bis zum 5. April keine Strategie vorlegen, wie sich sein Geschäftsmodell mit den Zielen im Pariser Klimaabkommen in Einklang bringen lässt und bis 2050 Klimaneutralität erzielt werde, wollen Umweltorganisationen wie Friends of the Earth, Greenpeace- und Action Aid klagen. Auch auf den Schweizer Rohstoffhändler Glencore wird entsprechender Druck ausgeübt. (9), (10)

Der Mineralölkonzern Shell will sich in Richtung erneuerbare Energien entwickeln und baut seine bislang sehr kleine Erneuerbaren-Sparte auf. Er übernahm 2017 den niederländischen Anbieter von Ladestationen Newmotion, im Mai 2018 später kaufte Shell sich beim Batteriehersteller Sonnen im Allgäu ein, jetzt will Shell zusammen mit dem Pensionsfonds PGGM die bislang kommunale niederländische Eneco-Gruppe kaufen. (11), (12)

Seit vielen Jahren beliefert Venezuela die Nachbarn Kuba mit Erdöl. Das setzt sich unter der aktuellen Regierung nicht im gewohnten Maße fort. Nun hat Kuba einen interessanten Deal geschlossen: Es entsendet seine gut ausgebildeten Ärzte und erhält dafür Erdöl. Kuba hat 30 000 Ärzte und anderes medizinisches Personal im Austausch für Erdöllieferungen nach Venezuela geschickt. (13)

In Algerien gibt es einen politischen Führungswechsel. Das Land bzw. seine Elite lebte gut vom Reichtum an Öl und Gas. Algerien hat riesige Ölschiefervorkommen und zählt weltweit zu den wichtigsten Produzenten. Doch staatliche Unternehmen, Korruption, niedrige Preise, scharfe Sicherheitsvorschriften, lähmende gesetzliche Beschränkungen bei der fossilen Energie, Steuerlasten und vor allem der Pflicht zu Joint Ventures schrecken ausländische Investoren ab. Jetzt will Algerien etwas verbessern. Seit Juni 2018 werden die Investitionsgesetze überarbeitet. (14)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Top Importe von Rohöl und Erdgas nach Anteil der Lieferländer nach Deutschland 2016
Anteil
Landin Prozent
Rohöl 2016
Russland39,6
Norwegen12,2
Großbritannien10
Rest der Welt38,2
Erdgas 2015
Russland33,6
Niederlande32,1
Norwegen32
Rest der Welt2,3

Quelle: BGR, LBEG, Deutsche Rohstoffagentur, BP, BAFA, BVEG, Handelsblatt Entnommen aus: Handelsblatt, 193/2018, S. 28 (15)

Weiterführende Literatur:

(1.) Big Finance bewertet Ölpreisentwicklung zurückhaltend
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 03/2019, S. 108

(2.) OPEC: Qatar steigt aus - Saudi Arabien unter Druck
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 01/2019, S. 8

(3.) Öl ist seit Jahresbeginn mehr als 20 Prozent teurer geworden
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.03.2019, Nr. 62, S. 29

(4.) Amerika erhöht den Druck auf die Opec
aus Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2019, Nr. 61, S. 16

(5.) USA inzwischen siebtgrößter deutscher Rohöllieferant
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 03/2019, S. 106

(6.) USA decken steigende Ölnachfrage
aus energate vom 12.03.2019

(7.) Pensionsfonds investiert nicht mehr in Fördergesellschaften
aus energate vom 11.03.2019

(8.) Big Oil & Gas verdient 2018 gutes Geld
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 03/2019, S. 109

(9.) Shell droht eine Klimaklage
aus neue energie - das magazin für klimaschutz und erneuerbare energien Heft 3/2019 S. 82

(10.) BP beugt sich Investorendruck
aus neue energie - das magazin für klimaschutz und erneuerbare energien Heft 3/2019 S. 63

(11.) Shell auf "grüner" Einkaufstour
aus neue energie - Das Magazin für erneuerbare Energien Heft 2/2019 S. 70

(12.) Shell übernimmt Speicherhersteller Sonnen
aus energate vom 15.02.2019

(13.) Havannas banger Blick nach Caracas
aus dw.com vom 14.03.2019 08:33:00

(14.) Die algerische Elite klammert. Präsident Bouteflika tritt ab - seine Entourage balgt sich um Erdöltöpfe und Ideen
aus Neue Zürcher Zeitung vom 14.03.2019 Seite 26

(15.)International, Deutschland: Rohstoffreserven, Rohöllieferländer und Top Erdöl- und Erdgasfördernde deutsche Unternehmen im Ausland 2015-2017
aus GENIOS Statistiken vom 08.01.2019

Anja Schneider

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 03 vom 21.03.2019
Dokument-ID: s_ene_20190321

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