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Digitalisierung - die Rolle der Insurtechs auf dem deutschen Versicherungsmarkt

VERSICHERUNGEN | GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 25.02.2019


Die Versicherer tun sich schwer mit der Digitalisierung

Die Versicherer haben die Digitalisierung erst spät entdeckt. Selbst die Insurtechs hinken den Fintechs aus der Finanzbranche mindestens drei Jahre hinterher. Die Geschäftsmodelle der Insurtechs sind unterschiedlich. Viele kamen zunächst als Online-Makler auf den Markt. Beispiele sind Knip, Getsafe und Clark. Andere haben sich vorgenommen, Nischenprobleme zu lösen, die von großen IT-Playern nicht abgedeckt werden. Der Aktionsradius der Insurtechs ist noch auf den heimischen Markt beschränkt. Dies liegt daran, dass sich die meisten Start-ups auf das Privatkundengeschäft konzentrieren, das in der Regel national ausgerichtet ist. Mittlerweile gibt es mehr als 100 Insurtech-Firmen im deutschsprachigen Raum. (1), (5), (6), [Abb. 1]


Das Insurtech DFV geht an die Börse

Mit der Deutschen Familienversicherung (DFV) ist Ende 2018 erstmals ein Insurtech an die Börse gegangen. Die DFV setzt beim Vertrieb ganz auf Internet und Telefon. Das 2007 gegründete Unternehmen spezialisierte sich zunächst auf Kranken- und Pflegezusatzversicherungen, ist zuletzt aber auch ins Geschäft mit Sachversicherungen (Auto, Hausrat) eingestiegen. 2017 lagen die Beitragseinnahmen aus 420 000 Versicherungsverträgen bei 72 Millionen Euro. Der DFV flossen aus dem Börsengang 52 Millionen Euro zu. Erhofft hatte man sich das Doppelte. Allein die VPV Lebensversicherung übernahm Aktien für 25 Millionen Euro. Sie hält nun 15,5 Prozent an der DFV. (4)



Trends

Die Insurtechs werden sich 2019 zunehmend auf das internationale Parkett wagen. Bei den jüngsten Finanzierungsrunden fiel auf: Die meisten wollen frisches Kapital für den Ausbau ihrer Plattform, aber immer häufiger auch für die internationale Expansion. Realisiert ist bisher jedoch wenig. (1), [Abb. 2]

Den Insurtechs werden bisweilen noch misstrauisch beäugt. Und dies hat auch seine Gründe. So war die Nutzung einer App oft mit der Erteilung eines Maklermandats für den jeweiligen Anbieter verbunden. Nicht alle Insurtechs haben darüber ihre Kunden informiert. Es kam zu Protesten von Maklerverbänden, Verbraucherschützern und Versicherungsunternehmen. Die Verbraucherschützer zweifeln zudem an der Beratungsqualität der Online-Makler. (5)

Wie sich die Versicherer in Sachen Digitalisierung positionieren, ist vielfach noch unklar. Das zeigt eine Kurzstudie der Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners. Demnach gibt jedes zweite Versicherungsunternehmen an, dass dieses Thema im eigenen Haus nicht systematisch und übergreifend angegangen wird. Dabei sei den Studienteilnehmern der Mehrwert, den Digitalisierung in punkto Kundennutzen stifte, durchaus bewusst. Insbesondere beim Thema Service sehen die Versicherer den größten Kundennutzen durch die Digitalisierung. (8)

Digitale Konkurrenz erwächst den Versicherern aber nicht nur von den Insurtechs. Vielmehr fürchten sie, dass die großen Tech-Konzerne Google, Amazon und Facebook auf den Versicherungsmarkt drängen. Die Big Techs könnten dabei ihren umfangreichen Datenschatz und ihr Wissen über ihre Kunden nutzen. Bislang deutet jedoch noch wenig darauf hin, dass die Big Techs ein eigenes Versicherungsgeschäft betreiben wollen. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass sie sich zwischen die Versicherungskonzerne und ihre Kunden drängen und die Hand aufhalten. (1)



Fallbeispiele

Die Deutschen Familienversicherung bietet nun eine betriebliche Pflegezusatzversicherung für 9 000 Mitarbeiter des Konsumgüterkonzerns Henkel an. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie schloss im vierten Quartal 2018 mit Henkel einen branchenbezogenen Haustarifvertrag. Hinter dem Produkt HenkelCareFlex steht die DFV. Das Angebot erfolgt im Rahmen des Sozialpartnermodells, ein zentraler Baustein des Betriebsrenten-Stärkungsgesetzes (BRSG). Die DFV hat für 2019 insgesamt 100 000 Neukunden im Blick. (3)

Darüber hinaus bieten die DFV und die Ergo-Tochter ERV den Abschluss von Versicherungen über Alexa an, den Sprachassistenten des Online-Händlers Amazons. Gestartet hat die DFV dieses Projekt im Oktober 2018 mit einer Auslandsreisekrankenversicherung, weitere Produkte sollen folgen. (2)

Das Insurtech Simplesurance hat 2018 in zwei Finanzierungsrunden knapp 30 Millionen Euro eingeworben. Simplesurance betreibt eine Plattform, die Versicherungen eine neue Vertriebsmöglichkeit eröffnet: Endkunden bekommen in europaweit 2 500 Onlineshops, die mit Simplesurance kooperieren, während des Kaufvorgangs direkt eine passende Versicherung angeboten. In Deutschland bekannt ist zudem das Endkunden-Portal schutzklick.de. Jetzt nimmt Simplesurance den asiatischen Markt ins Visier. Helfen bei der Expansion soll der neue Investor Tokio Marine Holdings (TMDH). (11)

Der digitale Versicherer Element Insurance hat sich Kapital von Investoren in Höhe von 23 Millionen Euro gesichert. Dazu beigetragen haben die Gründungsinvestoren Finleap und Signal Iduna. Neu an Bord ist die Crowdinvesting-Plattform Engel & Völkers Capital, der spanische Insurtech Investor Alma Mundi Ventures und die japanischen Unternehmen SBI Investment und SBI Insurance. Mit dem Kapital sollen die Technologieplattform ausgebaut und Auslandsmärkte ins Visier genommen werden. Element wendet sich an Versicherer und an Unternehmen, die ihre Versicherungsangebote ergänzen oder in ihre Dienstleistungen integrieren wollen. (7)

Das Insurtech Clark kooperiert neuerdings mit den Versicherern der Sparkassen-Finanzgruppe. Diese arbeiten derzeit an einer gemeinsamen Lösung für die Sparkassen, mit der digital Versicherungen verwaltet werden können. Clark soll hier die grundlegende Software bereitstellen. Die Zusammenarbeit mit den öffentlichen Versicherern bringt Clark bei dem Vorhaben voran, das Sparkassenlager zu erschließen. Seit Juli arbeitet das Insurtech mit 1822 zusammen, der Onlinebank der Frankfurter Sparkasse. Kurz zuvor hatten die Wachstumsambitionen des Unternehmens einen Rückschlag erlitten, als die ING-DiBa ihre Kooperation mit Clark nach 14 Monaten beendete. (9)

Das Insurtech Wefox ist mit dem Versicherungsmakler Marsh eine Kooperation eingegangen. Umfassende Versicherungsdienstleistungen für kleine und mittlere Unternehmen wollen Wefox und Marsh anbieten. Als Zielgruppe werden Sharing Economy, Gewerbetreibende, unabhängige Einzelhändler, Selbstständige und gemeinnützige Organisationen genannt. Der regionale Fokus liegt zunächst auf Deutschland, Österreich und der Schweiz, im laufenden Jahr soll aber noch erweitert werden. (10)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Volumen und Anzahl von Insurtech-Deals
Jahrin Mrd. DollarAnzahl Deals
20140,8794
20152,69124
20161,68174
20172,21202

Quelle: Capgemini Entnommen aus: Genios Statistiken vom 15.01.2019 (12)
Abbildung 2: Größte Finanzierungsrunden deutscher Insurtechs 2018
Jahr in Mill. Dollar
Simplesurance35,5
Coya30
Clark29
Element23

Quelle: Unternehmen Entnommen aus: Börsen-Zeitung vom 29.12.2018, Nr. 249, S. 37 (1)

Weiterführende Literatur:

(1.) Insurtechs kennen (noch) Grenzen - Start-ups in der Assekuranz agieren auf heimischen Märkten - Ihre Kapitalgeber sind viel internationaler
aus Börsen-Zeitung vom 29.12.2018, Nr. 249, S. 37

(2.) Wie Alexa das Geschäft der Versicherer aufmischt - Sprachassistenten können nun auch Vertragsabschluss
aus Börsen-Zeitung vom 15.12.2018, Nr. 242, S. 2

(3.) Deutsche Familienversicherung strebt 100.000 Neukunden an
aus VersicherungsJournal.de, Ausgabe vom 22.01.2019

(4.) Schwerer Start an die Börse - Die Deutsche Familienversicherung legt einen holprigen Auftakt hin. Das ist symptomatisch für das gesamte Jahr
aus Süddeutsche Zeitung, 05.12.2018, Ausgabe Bayern, Deutschland, S. 24

(5.) Insurtechs - Alexa, versicher' mich!
aus WirtschaftsWoche online 08.02.2019 um 19:17:01 Uhr

(6.) Wie Insurtechs Versicherung neu erfinden wollen
aus VersicherungsJournal.at, Ausgabe vom 24.08.2018

(7.) Insurtech - Digitaler Versicherer Element sammelt 23 Millionen Euro ein
aus Handelsblatt online vom 29.11.2018

(8.) Versicherer sind bei Digitalisierung noch planlos
aus VersicherungsJournal.de, Ausgabe vom 29.01.2019

(9.) Clark geht in die Sparkassen - Die Versicherer der Finanzgruppe kooperieren mit dem Frankfurter Insurtech
aus Börsen-Zeitung vom 29.11.2018, Nr. 230, S. 5

(10.) Wefox und Marsh gehen Partnerschaft ein
aus VersicherungsJournal.de, Ausgabe vom 05.12.2018

(11.) Simplesurance: Insurtech gewinnt neue Investoren
aus WirtschaftsWoche online GRÜNDER 02.10.2018 um 11:04:12 Uhr

(12.)Deutschland: Volumen und Anzahl von Insurtech-Deals 2014-2017
aus Genios Statistiken vom 15.01.2019

Thomas Trares

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 02 vom 25.02.2019
Dokument-ID: s_ver_20190225

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