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Branchenreport Ausgabe 2019

ENERGIE & ROHSTOFFE | GENIOS BranchenWissen Nr. 11 vom 18.11.2019


Das große Klimaschutzziel: Erderwärmung unter 1,5 Grad

Spätestens seitdem die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg den UN-Mitgliedern in Katovice die Leviten gelesen hatte und fragte Wie konntet ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit euren leeren Worten? Wir werden euch das nicht durchgehen lassen. Die Welt wacht auf, und es wird Veränderungen geben, ob ihr es wollt oder nicht.", nimmt die Klimaschutzbewegung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen Fahrt auf. Die Verantwortlichen sollen endlich wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Ziele zu erreichen, die sie selbst gesetzt haben! Die Erderwärmung soll im Vergleich zur vorindustriellen Zeit unter 1,5 Grad bleiben.
Prompt bekannten sich insgesamt 77 Staaten auf dem Gipfel zum Ziel der Klimaneutralität 2050, 70 Länder kündigten zudem an, ihre nationalen Anstrengungen zu erhöhen. Unternehmen wie auch große Vermögensverwalter teilten mit, ihre Investments in grüne Technologien zu verstärken.
Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future macht weiter Druck und hat für den 29. November ihren nächsten globalen Aktionstag angekündigt. Er findet direkt vor Beginn der Weltklimakonferenz in Chile vom 2. bis 13. Dezember statt. Dort soll es konkrete Beschlüsse zum weiteren Umsetzen des Pariser Klimaabkommens geben.
Die deutsche Bundesregierung hat am 20. September Eckpunkte eines Maßnahmenpakets zum Klimaschutz beschlossen. Unter anderem soll ein CO2-Preis klimaschädliche Brennstoffe aus Öl, Erdgas und Kohle verteuern. In den Bereichen Verkehr und Heizen will die Bundesregierung 2021 mit zehn Euro pro Tonne Kohlendioxid (CO2) einsteigen. Kritiker halten diesen Preis für zu niedrig.


Deutscher Energieverbrauch geht erneut zurück

Verbesserungen bei der Energieeffizienz, Substitutionen im Energiemix, ein konjunkturell bedingter Rückgang des Energieverbrauchs in den energieintensiven Industriezweigen und ein fortschreitender Strukturwandel werden dafür sorgen, dass der Energieverbrauch in Deutschland 2019 voraussichtlich um gut zwei Prozent niedriger ausfallen wird als im vergangenen Jahr. Er wird eine Höhe von rund 437 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten erreichen. Das geht aus ersten Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AG Energiebilanzen) auf Grundlage der Zahlen für den Energieverbrauch der ersten neun Monate hervor.
Nach den Monaten Januar bis September lag der Mineralölverbrauch über dem Vorjahreszeitraum (plus 1,9 Prozent). Auch der Erdgasverbrauch war höher (plus 3,9 Prozent), weil in Kraftwerken der Stromversorger mehr Erdgas eingesetzt wurde. Der Verbrauch an Kohle ging dagegen sehr stark zurück. In der Strom- und Wärmeerzeugung wurde weniger Steinkohle eingesetzt (minus 18 Prozent), der Braunkohleverbrauch sank sogar um 21,7 Prozent. Bei der Kernenergie kam es zu einem leichten Rückgang (minus drei Prozent). Die erneuerbaren Energien steigerten ihren Beitrag zum gesamten Energieverbrauch (plus vier Prozent). Bei der Windkraft gab es ein Plus von 17 Prozent, bei der Solarenergie nur ein Prozent. Die Biomasse verharrte auf dem Vorjahresniveau, und bei der Wasserkraft kam es zu einem Zuwachs von acht Prozent. Der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Primärenergieverbrauch erhöhte sich auf 14,8 Prozent. (1)


Im Energiemix gibt es kleine Verschiebungen zugunsten der Erneuerbaren

Damit gibt es im breiten deutschen Energiemix aktuell folgendes Bild: Die Anteile der verschiedenen Energieträger haben sich in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 weiter zugunsten der Erneuerbaren verschoben. Mineralöl und Erdgas weiteten ihre Anteile leicht aus, während die Kohle Federn ließ. Damit verringerte die deutsche Energieversorgung ihre Kohlenstoffintensität.
Fast 60 Prozent des inländischen Energieverbrauchs entfallen auf die fossilen Energieträger Öl und Gas; Stein- und Braunkohle decken zusammen knapp ein Fünftel des Verbrauchs. Fast 80 Prozent des deutschen Energieverbrauchs werden also noch immer aus den fossilen Energieträgern Erdöl, Erdgas und Kohle bereitgestellt.
Den größten Anteil als Energieträger hat mit 35,9 Prozent weiterhin das Mineralöl. Erdgas deckt mit 23,7 Prozent mehr als ein Fünftel des Verbrauchs. Die Kernenergie hat im aktuellen Energiemix einen Anteil von 6,4 Prozent. Auf die Steinkohle kommt ein Anteil von 9,0 Prozent, auf die Braunkohle 9,4 Prozent. Die erneuerbaren Energien steigern ihren Anteil leicht auf 14,8 Prozent. Daran dürfte sich bis zum Jahresende nicht mehr viel ändern. Die heimische Energiegewinnung deckt ein knappes Drittel des gesamten Energieverbrauchs. Über 80 Prozent der heimischen Energiegewinnung entfallen auf erneuerbare Energiequellen und Braunkohle. Den Hauptteil der benötigten Energierohstoffe muss Deutschland importieren. [Abb. 1], (1)
In der deutschen Stromerzeugung lagen die Erneuerbaren 2018 bei einem Anteil von 34,9 Prozent und damit fast gleichauf mit der Kohleverstromung mit einem Anteil von über 35 Prozent (Steinkohle 12,9 Prozent, Braunkohle 22,5 Prozent). Die Stromerzeugung aus Erdgas lag bei ebenfalls 12,9 Prozent. Atomenergie erzeugte noch 11,8 Prozent unseres Stroms. Öl wurde nur zu 0,8 Prozent in der Stromproduktion eingesetzt. [Abb. 2], (2)


Deutlicher Emissionsrückgang der Energiebranche

Die deutsche Energiebranche hat vorgerechnet, dass sie in den ersten neun Monaten des Jahres rund 40 Millionen Tonnen CO2 eingespart habe. Damit werde sie das CO2-Einsparziel für 2020 von 40 Prozent bereits im laufenden Jahr erreichen. Als Gründe führt sie den hohen Anteil der erneuerbaren Energien, den deutlichen Anstieg des CO2-Preises auf rund 25 Euro pro Tonne und die Stilllegung von 1 400 Megawatt Steinkohlekraftwerksleistung an.
Um auch andere Wirtschaftssektoren stärker zu motivieren, muss der CO2-Preis noch deutlich höher steigen. Das sorgte dafür, dass die Kohleverstromung zurückging und die Gasverstromung anstieg. (3)


Energieversorger in Deutschland

In der Energieversorgung gibt es sehr viele Akteure. Für Strom sorgen Stromerzeuger, Stromnetzbetreiber, Stromhändler und eine hohe Zahl von Stromlieferanten. Im Gasmarkt sind Erdgasfördergesellschaften, Gasnetzbetreiber, Gasspeichergesellschaften, Gashändler und Gaslieferanten aktiv. Hinzu kommen Wärme-, Kälte- und Wasserversorger.
Zum Jahresende 2018 war die Zahl der Unternehmen ab 20 Mitarbeiter um 1,6 Prozent auf 2 400 Anbieter gestiegen. Den stärksten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr verbuchte die Stromversorgung. Die Betriebe der Energie- und Wasserversorgung beschäftigten insgesamt rund 250 000 Menschen; 75 Prozent davon arbeiten im Stromsektor.
Tonangebend in der konventionellen Stromerzeugung war viele Jahre lang eine Handvoll großer Unternehmen, nämlich E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Diese Konzerne bauen sich seit Jahren um, um ihre Rolle in Zeiten der Energiewende neu zu definieren. Im Jahr 2018 war Uniper mit einem Umsatz von 78 Milliarden Euro auf Rang 1 der größten Energieversorger Deutschlands. Uniper entstand durch die Abspaltung verschiedener Sparten des Energieerzeuger E.ON und ist heute eine börsennotierte Gesellschaft. Zu den führenden Energieversorgern gehören RWE, Innogy, E.ON, EnBW, Vattenfall und EWE. Innogy wird zerschlagen und zwischen RWE und Eon aufgeteilt. (4)


Segmente der Energie- und Rohstoffwirtschaft im Einzelnen

Mineralöl - Aus Russland, Norwegen, Großbritannien
Nach dem Anschlag auf die größte Raffinerie Saudi-Arabiens Mitte September ging kurz ein Zittern durch die Börse. Doch die Gemüter beruhigten sich rasch, denn Deutschland bezieht nur wenig Öl aus Saudi-Arabien. Im vergangenen Jahr waren es nur 1,7 Prozent der Ölimporte. Die Abhängigkeit von Russland ist weitaus höher. Es ist unser wichtigster Lieferant; wir beziehen bis zu 30 Prozent pro Monat aus der Russischen Föderation. Danach folgen Norwegen und Großbritannien mit zusammen rund 25 Prozent. Die USA arbeiten sich voran. Im ersten Halbjahr 2019 lieferten sie knapp sechs Prozent der Gesamtmenge.
Noch kontrolliert die OPEC (Organisation Erdöl-produzierender Länder) 40 Prozent der Ölreserven und 60 Prozent des Handels. Zum Kartell gehören seit 1960 elf OPEC-Staaten, angeführt von Saudi-Arabien, und zehn andere kartellunabhängige Staaten, allen voran Russland. Seit Ende des Jahres 2016 agiert die OPEC als Verknappungsallianz, der daran gelegen ist, die Rohölfördermengen zu drosseln und so die Rohölpreise am weiteren Verfall zu hindern. Es gelingt; seit Jahresbeginn ist Öl um 20 bis 25 Prozent teurer geworden. Doch das etablierte Kartell verliert an Macht und Einfluss. Die USA sind zum größten Ölproduzenten und wichtigen Exporteur aufgestiegen; Brasilien, Norwegen, Kanada und Guyana weiten ihre Förderung tendenziell aus.
Unter Klimaaspekten müssten die großen Öl- und Gaskonzerne die Förderung fossiler Brennstoffe deutlich einschränken. Doch noch immer werden viele Milliarden Euro in Erschließungsprojekte im Bereich Ölsande, Flüssiggas und Tiefseeförderung investiert. Das kritisiert eine Studie des britischen Thinktanks Carbon Tracker. Andererseits wird der Druck von außen stärker. Die Investorengruppe Climate Action 100+ verpflichtete BP dazu, die Konzernstrategie auf die Pariser Klimaziele hin zu überprüfen. Die norwegische Equinor, die französische Total und Shell haben sich ebenfalls dazu bereit erklärt. Klimaschutz oder Profit - was lockt mehr? (5), (6), (7)

Erdgas - Übergangsenergie
Erdgas ist derzeit der zweitwichtigste Energieträger im deutschen Energiemix. Auf mittlere Sicht - bis vielleicht 2050 - wird Erdgas als wichtiger fossiler Übergangsenergieträger eingestuft. Gasbefeuerte Kraftwerke könnten stillgelegte Kernkraft- und Kohlekraftwerke flexibel kompensieren und die auf erneuerbare Energien ausgerichtete Energieversorgung stabilisieren. Emissionsarme Gaskraftwerke profitieren von einem steigenden Preis für CO2-Zertifikate.
Vorantreiben wollen die Erdgasstrategen das Konzept Power to gas. Dabei wird unter Einsatz von (überschüssigem) Strom aus erneuerbaren Energiequellen zunächst Wasserstoff und in einem weiteren Schritt synthetisch erzeugtes Erdgas hergestellt, das wiederum ins Gasnetz eingespeist werden kann. Dieses so genannte EE-Gas oder Windgas oder Solargas kann eine wichtige Rolle bei der Speicherung und dem Transport von Energie übernehmen. Doch noch ist das Zukunftsmusik. Die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung müsse ausgebaut und auf Erdgas-KWK umgestellt werden. Die Sektoren Strom und Wärme gilt es intelligent zu koppeln. Im Verkehr könne Erdgas einen größeren Beitrag zur Dekarbonisierung leisten.
Die weltweiten Erdgasreserven sind hoch, noch lange kann die Welt damit versorgt werden. Immer mehr wird auch offshore gefördert. Dem Markt stehen zudem wachsende Mengen an Flüssigerdgas (LNG) aus den USA und Australien zur Verfügung. Auch Europa wird mit verflüssigtem Erdgas beliefert. Die Pipelineanbindungen sind gut, LNG-Anlandeterminals vorhanden. Deutschland will mehrere Anlandeterminals errichten, so in Brunsbüttel, in Stade und Wilhelmshaven. Die russische Gazprom und die norwegische Statoil zählen zu den größten europäischen Gasproduzenten. Nicht einmal mehr zehn Prozent des Erdgases stammt aus inländischer Produktion. Die Erdgasförderung in Deutschland ist rückläufig. Im laufenden Jahr wurden größere Mengen als im vergangenen importiert. Die Preise sanken tendenziell. (8)

Kohle - Dekarbonisierung wird ernst
Die Kohle ist der wichtigste Energieträger für die deutsche Stromerzeugung. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Die Dekarbonisierung ist beschlossen, auch wenn das Gesetz zum Kohleausstieg dieses Jahr nicht mehr den Bundestag und Bundesrat passieren wird. Ende Januar 2019 hatte sich eine von der Regierung eingesetzte Kommission darauf geeinigt, dass das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland spätestens 2038 vom Netz gehen soll.
Die finanziellen Strukturhilfen für die Braunkohleregionen wurden geregelt. Bis 2038 sollen 40 Milliarden Euro an Fördermitteln fließen. Vorstellungen, wie die betroffenen Braunkohlereviere umgestaltet werden könnten, gibt es etliche. Ein Bündnis aus zehn Unternehmen will beispielsweise in der Lausitz in Solar- und Windprojekte, die Produktion von Wasserstoff oder die industrielle Nutzung von CO2 investieren. Das Kraftwerk Jänschwalde soll ein Innovationskraftwerk werden. Umweltverbänden, Spitzenverbänden der Wirtschaft und Gewerkschaften sind die bisherigen Umsetzungspläne nicht konkret genug.
Zwar gelten Braunkohlekraftwerke als günstige Stromproduzenten, doch das wird in Zukunft nicht mehr so sein. Bereits heute ist die wirtschaftliche Lage der Braukohlekraftwerke angespannt. Mit einem deutlich steigenden Preis für Kohlendioxid und sinkenden Gaspreisen wird sie sich weiter verschlechtern. (9), (10), (11), (12)

Erneuerbare Energien - Wind in der Talsohle, Sonne wieder auf dem Weg nach oben

Der Ausbau von Strom aus Sonne und Wind schreitet voran, freilich nicht immer so geradlinig, wie viele es sich wünschen. Der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch liegt mittlerweile bei 43 Prozent. Als übergeordnetes politisches Ziel gilt, den Anteil des erneuerbaren Stroms bis zum Jahr 2030 auf 65 Prozent zu steigern.

Die Windkraft ist der stärkste erneuerbare Energieträger. Die Windkraftanlagen an Land (Onshore) haben einen Anteil von knapp 39 Prozent am regenerativen Strom, die Windräder auf dem Meer (Offshore) machen 9,2 Prozent aus. Zuletzt ist die deutsche Windbranche, die in den Jahren 2014 bis 2017 noch prächtig gedieh, gewaltig ins Trudeln geraten. Im ersten Halbjahr 2019 wurden bundesweit nur 86 neue Windkraftanlagen bzw. 235 Megawatt Leistung installiert. Damit ist der Ausbau auf das Niveau von vor 20 Jahren zurückgefallen. Senvion ist insolvent, Enercon angeschlagen, tausende Arbeitsplätze sind verloren gegangen. [Abb. 3]
Weltweit wächst die Stromerzeugung aus Windenergie. Die Länder mit der größten insgesamt installierten Leistung sind China, die USA und Deutschland, gefolgt von Indien, Spanien, Großbritannien, Kanada und Frankreich. Zu den größten Unternehmen im Markt für Windturbinen zählen die dänische Vestas, die deutsch-spanische Siemens-Gamesa und die chinesische Goldwind.
Die Solarbranche, für die es seit 2012 nur bergab ging, atmet hingegen auf. Im vergangenen Jahr wurden knapp 3 000 Megawatt Solarenergie zugebaut. Das entspricht einer stolzen Wachstumsrate von 68 Prozent. Der politisch definierte Zubaukorridor von jährlich 2,5 Gigawatt neu installierter Leistung wurde übertroffen. Für das laufende Jahr erwartet die Solarbranche ein Marktwachstum im zweistelligen Bereich, mit einem Zubau von 3,5 bis vier Gigawatt neuer Photovoltaik-Anlagen in allen Marktsegmenten. Die Photovoltaik erreicht jetzt einen Anteil von knapp 22 Prozent der gesamten Ökostromerzeugung.
Weltweit lag der Zubau an Solaranlagen 2018 um vier Prozent über dem Vorjahreswert. China stellt knapp 70 Prozent aller Solarzellen her, Europa vier Prozent. Die Top 5 Unternehmen im Markt für Solarmodule sind Jinko (China), Trina (China), JA Solar (China), Canadian Solar (Kanada, China) und Hanwha Q Cells (Südkorea). (13), (14), (15)

Kernenergie - Strahlende Ewigkeitslasten
Zum Ende des Jahres wird das Kernkraftwerk Philippsburg außer Betrieb genommen. Das letzte deutsche Atomkraftwerk soll im Jahr 2022, also in drei Jahren, abgeschaltet werden. Das ist längst nicht das Ende der Atom Ära. Denn Kernreaktoren hinterlassen strahlenden Müll - selbst dann noch, wenn sie heruntergefahren und rückgebaut werden. Für die endgültige Beseitigung dieses Mülls, der bis zu einer Million Jahre lang strahlt, haben die Menschen keine Lösung. Er muss gelagert werden, und selbst das ist schwierig. In Europa haben nur Schweden, Finnland und Frankreich Standorte für atomare Endlager ausgewiesen; lediglich in Finnland befindet sich das Endlager tatsächlich im Bau. Auf der ganzen Welt gibt es kein Land, das ein Endlager für Atommüll in Betrieb genommen hat. Radioaktiver Abfall von Atomkraftwerken liegt bisher in Zwischenlagern, die mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Den Steuerzahler kostet das viel Geld. Deutschland hat dafür einen Entsorgungsfonds gebildet. In ihn werden bis 2099 rund 86 Milliarden Euro geflossen sein.
Atomkraft wird trotzdem noch immer als saubere klimaneutrale Energieform eingestuft und als Alternative zur Kohleverstromung ins Kalkül gezogen. Auch in Europa gibt es Nationen, die atomar aufrüsten wollen. Tschechien, Ungarn und Polen beabsichtigen ihren Kernkraftanteil am Strommix zu erhöhen. Die immensen externen Kosten, die unkalkulierbaren technischen, logistischen und finanziellen Risiken entlang der sehr langen gesamten Wertschöpfungskette vernachlässigen sie. Nach einem Erdbeben am 11. November 2019 in Südfrankreich hat der französische Energiekonzern EDF mehrere Kernreaktoren vorübergehend vom Netz genommen. Frankreichs ältestes Kraftwerk Fessenheim im Dreiländereck Deutschland, Schweiz und Frankreich soll Ende Juni 2020 endgültig vom Netz gehen.
Weltweit ging der Anteil der Kernenergie am Strommix in den vergangenen 20 Jahren von 18 auf inzwischen 10 Prozent zurück. Etwa 440 Atomkraftwerke sind in Betrieb, die meisten in den USA, Frankreich, Japan, Russland und China. Insgesamt sind etwa 65 Neubauten geplant - vor allem in China. Von den 181 Reaktoren, die bisher weltweit vom Netz gingen, sind bislang nur 19 vollständig abgebaut. (16), (17), (18)



Trends

Als Trends werden in der Branche viele Themen diskutiert. Teilweise werden sie definitiv Realität werden, bei anderen suchen die Akteure noch nach deren Bedeutung und geschäftlichen Umsetzung in der Energiewelt von morgen: Digitalisierung, Dekarbonisierung, E-Mobilität, Community-Strom, intelligente Energieverteilung, Steuerung des Energieverbrauchs durch Smart Metering und Anwendungen aus dem Bereich Smart Home, Blockchain als Bezahlmethode, Mieterstrommodelle.
Der aktuelle BP Energy Outlook 2040 stellt zur Energienachfrage unter anderem folgende Prognosen:
Die Welt wird im Jahr 2040 rund ein Drittel mehr Energie verbrauchen. Das Wachstum findet vor allem in Asien mit den Mega-Märkten Indien und China statt. Dort wird immer mehr Strom benötigt: rund 75 Prozent des Primärenergie-Mehrbedarfs entfallen auf den Stromsektor. Die erneuerbaren Energien werden 2040 die weltweit dominierende Stromquelle sein. Bis etwa 2030 steigt der Ölbedarf und flacht dann allmählich ab. Vor allem der Verkehrssektor wird immer weniger Öl benötigen, weil die Motoren effizienter und mit immer mehr Alternativen energetisch versorgt werden. Der Kohleverbrauch wird stagnieren. Die CO2-Vermeidung wird immer wichtiger. (19)




Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Ausgewogener Energiemix
Struktur des Primärenergieverbrauchs in Deutschland
1.-3. Quartal 2019, Anteile in Prozent

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. Entnommen aus: www.ag-energiebilanzen.de (1)
Abbildung 2: Entwicklung von Stromerzeugung und -verbrauch nach Energieträger 2017-2018
Anteil 2018Anteil 1990
Energieträgerin Prozent
Braunkohle22,531,7
Steinkohle12,925,6
Erdgas12,96,5
Kernenergie11,827,7
Mineralöl0,82,0
Erneuerbare34,93,6
Sonstige4,23,5

Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Statistik der Kohlenwirtschaft e.V. Entnommen aus: AG Energiebilanzen e.V. (Hrsg.), Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2018, Februar 2019, S. 30 (2)
Abbildung 3: Leistung und Anzahl der Windenergieanlagen 2014-2019
Neu installierteWindenergie-
Anlagenleistung *anlagen
Jahrin MegawattAnzahl
20144.7501.760
20153.7531.378
20164.4001.549
20175.4981.849
20182.464762
1. Quartal 20181.042319
1. Quartal 201913441
* Brutto-Zubau; Windenergieanlagen an Land.

Quelle: Unternehmen Entnommen aus: Handelsblatt, 20.05.2019, S. 19 (20)

Weiterführende Literatur:

(1.)Prognose: Energieverbrauch sinkt weiter
aus Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen vom 29.10.2019

(2.) Deutschland: Entwicklung von Stromerzeugung, -verbrauch, -aufkommen und -produktivität 1990-2018
aus AG Energiebilanzen e.V. (Hrsg.), Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2018, Februar 2019, S. 30

(3.) Energiewirtschaft reduziert CO2-Emissionen drastisch
aus www.powernews.org Meldung vom 30.10.2019 - 14:46

(4.) Mehr Beschäftigte bei Strom- und Gasversorgern
aus energate vom 08.03.2019

(5.) Entwarnung - Ölversorgung in Deutschland gesichert
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 10/2019, S. 354

(6.) Halbjahresbilanz: Russland liefert ein Viertel weniger Rohöl
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 10/2019, S. 354

(7.) Ölwirtschaft droht massiver Verlust
aus www.powernews.org Meldung vom 09.09.2019 - 10:06

(8.) Gasimporte hoch, Inlandsproduktion sinkt
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 10/2019, S. 350

(9.) Lausitz: Unternehmen wollen Strukturwandel voranbringen
aus energate vom 09.09.2019

(10.) Zu viele schwarze Schafe
aus neue energie - das magazin für klimaschutz und erneuerbare energien Heft 11/2019 S. 48-55

(11.) Massive Kritik an Umsetzung des Kohleausstieg
aus www.powernews.org Meldung vom 25.07.2019 - 16:19

(12.) Braunkohlekraftwerke machen bedrohliche Verluste
aus www.powernews.org Meldung vom 06.11.2019 - 14:07

(13.) Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch erreicht 43 Prozent
aus energate vom 25.10.2019

(14.) Windenergie - Das stille Sterben der heimischen Windmüller
aus GENIOS BranchenWissen Nr. 09 vom 18.09.2019

(15.) Solarindustrie - Wachsende Zubau-Zahlen und sinkende Kosten
aus GENIOS BranchenWissen Nr. 08 vom 26.08.2019

(16.) Die Endlagerung von Atommüll ist weltweit weiterhin ungelöst
aus Handelsblatt online vom 11.11.2019

(17.) Endlager-Frage in Europa noch völlig offen
aus www.powernews.org Meldung vom 12.11.2019 - 14:01

(18.) Global bleibt Kernkraft auf der Agenda
aus energate vom 09.09.2019

(19.) BP Outlook: CO2-Minderung bleibt Mega-Herausforderung
aus Erdöl Erdgas Kohle, Heft 03/2019, S. 108

(20.)Deutschland: Entwicklung der Windenergieanlagenleistung und -zahl 2014-2019
aus GENIOS Statistiken vom 16.09.2019

Anja Schneider

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 11 vom 18.11.2019
Dokument-ID: r_ene_20191118

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