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Beherbergungsgewerbe - Onlineportale machen Hotels Konkurrenz

TOURISMUS | GENIOS BranchenWissen Nr. 05 vom 07.05.2019


Deutschland wird als Reiseziel immer attraktiver

Die gute Konjunktur sorgte im vergangenen Jahr in Deutschland für Rekordbeschäftigung und steigende Reallöhne. Von dieser Entwicklung profitierte auch das Gastgewerbe, das laut Statistischem Bundesamt 2018 auf ein nominales Umsatzplus von 3,2 Prozent kam, der Gesamtumsatz erhöhte sich auf 89,75 Milliarden Euro. Bereinigt um steigende Preise blieb dem Gastgewerbe ein Wachstum von ein Prozent. Alle Segmente des Gastgewerbes waren im Plus. Das Beherbergungsgewerbe erhöhte den Umsatz um 3,7 Prozent auf 32,10 Milliarden Euro. Bei den Gastronomen fiel das Umsatzplus mit 2,9 Prozent etwas geringer aus, die Erlöse stiegen auf 48,30 Milliarden Euro. Caterer kamen auf Erlöse in Höhe von 9,30 Milliarden Euro, ein Plus von rund 3,4 Prozent.

Das Wachstum des Beherbergungsgewerbes ist vor allem der steigenden Zahl der Übernachtungen in den Betrieben zu verdanken. Diese erhöhte sich um vier Prozent auf rund 477,60 Millionen. Am höchsten war das Wachstum in Schleswig-Holstein, das mit 34,45 Millionen rund 15,3 Prozent mehr Übernachtungen zählte. Eine Ursache für das starke Wachstum ist jedoch, dass das Land den Kreis meldungsrelevanter Unterkünfte ausweitete. Da nun mehr Pensionen, Ferienhäuser, Schullandheime und Jugendherbergen eingerechnet werden, kommt Schleswig-Holstein auf etwa 27 000 Betten mehr als noch 2017. Der bei weitem größte Gastgeber ist Bayern. Mit 98,70 Millionen wurden 4,6 Prozent mehr Übernachtungen registriert als noch 2017. (1), (2), (3), [Abb. 1]


Alle Kennzahlen der Hotellerie sind im grünen Bereich

Die Hotellerie macht den Löwenumsatz des Beherbergungsgewerbes aus. Wie gut es der Branche geht, zeigt sich daran, dass alle wichtigen Kennzahlen im Plus liegen. Laut dem Hotelverband Deutschland (IHA) stieg die Zahl der Übernachtungen in den Betrieben im vergangenen Jahr um rund drei Prozent 297,6 Millionen. Trotz eines wachsenden Angebots an Hotelbetten, deren Zahl legte um 2,2 Prozent auf 1,82 Millionen zu, ging der Netto-Zimmerpreis um 2,2 Prozent auf 97 Euro nach oben. Dennoch sind die Zimmer hierzulande noch günstig, europaweit liegt der durchschnittliche Zimmerpreis bei 100 Euro. Auch der RevPar war im Plus, er stieg um 2,7 Prozent. Insgesamt erhöhte sich der Nettoumsatz der Hotellerie preisbereinigt um 1,5 Prozent auf 28,56 Milliarden Euro.

Doch dunkle Wolken ziehen am Horizont auf. Die gute Entwicklung lässt die Investitionen in die Branche steigen, was die Gefahr von Überkapazitäten erhöht. In den kommenden drei Jahren sollen in 776 Objekten über 111 000 Hotelzimmer entstehen, die Investitionen sollen rund 19,6 Milliarden Euro betragen.

Viele internationale und heimische Konzerne wollen in den kommenden Jahren in Deutschland investieren. Der britische Whitbread-Konzern, der hinter der Budgetmarke Premier Inn steht, will bis 2020 hierzulande 20 Hotels öffnen. Marriott, die Intercontinental Hotels Group (IHG), Best Western und Accor Hotels wollen ihre Kapazitäten ausbauen. Deutsche Unternehmen wie Steigenberger und die Hostelkette A&O sind mit von der Partie und planen neue Standorte. (4), (5)


Onlineportale mutieren zu Hotelbetreibern

Buchungsportale (Online Travel Agencys OTA) gewinnen für Urlauber, die auf der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten sind, immer mehr an Bedeutung. 2017 wurden über diese laut dem europäischen Gastgewerbedachverband HOTREC 27,7 Prozent aller Hotelbuchungen durchgeführt, zwei Jahre zuvor waren es erst 24,5 Prozent. In Deutschland ist dieser Markt fest in der Hand von drei Unternehmen, die einen Marktanteil von rund 95 Prozent auf sich vereinen: der Booking Holding mit 59,05 Prozent, der HRS Group mit 23,60 Prozent und der Expedia-Gruppe mit 12,23 Prozent.

Die Hotels versuchen gegenzusteuern, doch bislang ohne viel Erfolg. So erhöhte sich der Anteil der Buchungen über hoteleigene Echtzeitbuchungsmaschinen von 2013 auf 2017 nur von 6,3 auf 8,4 Prozent. Die traditionellen Direktbuchungskanäle wie Telefon, Fax oder Walk-ins werden immer weniger genutzt. Dennoch ist das Telefon, das 2017 rund 22,1 Prozent aller Buchungen ausmachte, der zweitstärkste Buchungskanal hinter den OTAs.

Die Übermacht der OTAs ist für die Hotels ein Problem, da die drei großen Portale die Abhängigkeit der Häuser von ihnen ausnutzen. Dieser Ansicht ist wenigstens der IHA. Kritisiert werden die hohen Provisionen, die teilweise weit mehr als die branchenüblichen 15 Prozent der angegebenen Preise betragen. Beanstandet werden auch harte Vertragsbedingungen. Die Hälfte der befragten Hoteliers einer HOTREC-Studie würden Vertragsinhalte und Bedingungen, die ihnen die Portale diktieren, freiwillig nicht akzeptieren oder den Gästen anbieten. Dazu zählen zum Beispiel bestimmte Stornierungsrichtlinien, Sonderrabatte oder Pay-per-Click-Werbung, die zusätzliche Kosten verursachen kann. Dass der Kampf gegen die Portale erfolgreich sein kann, zeigt sich daran, dass die umstrittene Best-Preis-Klausel, auch Ratenparität genannt, in einigen europäischen Ländern abgeschafft wurde. Unter dieser Klausel versteht man die Forderung der Portale nach dem besten oder zumindest gleich günstigen Preis, wie ihn die Hotels auf anderen Kanälen anbieten, zum Beispiel über die eigene Webseite.

Noch gefährlicher für die Hotellerie könnte sein, dass die großen Portale zu Hotelbetreibern mutieren. Die große Gefahr besteht darin, dass die Portale bei der Suche die eigenen Häuser bevorzugen. Ein Vorreiter ist Fliggy. Die Tochter des Onlineriesen Alibaba eröffnete in China das Flyzoo Hotel. Auch Airbnb agiert als Hotelbetreiber. Samara, die Forschungseinheit des Portals, entwirft bereits eigene Häuser. Zudem will sich Airbnb an dem indischen Hotelnetzwerk Oyo Rooms beteiligen. Noch herrscht hierzulande Ruhe, HRS, Booking.com und Expedia haben derzeit keine Planungen in diese Richtung. Doch bei Expedia könnte es bereits Überlegungen geben, das Unternehmen blieb im Gegensatz zu HRS und Booking.com bei einer entsprechenden Anfrage unkonkret. (6), (7)


Markt für Serviced Apartments wächst unaufhaltsam

Serviced Apartments sind Beherbergungsbetriebe, die vollständig eingerichtete Wohnungen mit Küche, Bad und Schlafzimmern anbieten. Dieses Geschäft ist ein Wachstumsmarkt. Gab es 2013 laut der Beratungsfirma Apartmentservice rund 22 000 Serviced Apartments in Deutschland, waren es Ende 2018 bereits über 36 000 Wohneinheiten in zirka 600 Anlagen. Das entspricht einem Plus von 63 Prozent in fünf Jahren. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Allein bis Ende 2020 soll der Bestand um mehr als 18 000 Apartments zulegen.

Vor allem für Investoren ist dieser Markt interessant. Allein der Immobilienentwickler Pantera projektiert 1 300 Mikroapartments an neun bereits angekauften Standorten. Auch die Catella-Gruppe und die GBI AG mischen im Markt mit. Letztere betreibt unter der Marke Smartments Business an sechs Standorten eigenen Apartments. Auch ausländische Unternehmen wollen mitverdienen. Die asiatische The-Ascott-Gruppe ist mit ihrer Marke Citadine an derzeit vier Standorten in Deutschland präsent. Die zu den australischen TFE Hotels gehörenden Adina-Apartmenthotels sowie die Adagio-Häuser des Accor-Hotelkonzerns haben den deutschen Markt bereits für sich entdeckt. Kurz vor dem Markteintritt stehen der britische Apartmentbetreiber Saco und die irische Staycity. Beide Firmen wollen noch im Laufe dieses Jahres erste Häuser in Berlin eröffnen. (8), [Abb. 2]





Fallbeispiele


LVMH: verstärkt sich in der Luxushotellerie

LVMH, die weltweite Nummer eins der Luxusgüterbranche, betreibt derzeit unter der Marke Cheval Blanc drei Luxushotels im französischen Courchevel, auf den Malediven und auf St. Barth. Die zum Konzern gehörende Juweliergruppe Bulgari verfügt über sechs Häuser in Mailand, London, Dubai, Bali, Beijing und Shanghai.

Nun will LVMH dieses Geschäftsfeld weiter ausbauen. Für 2,6 Milliarden Dollar soll die Belmond-Gruppe übernommen werden. Das britische Unternehmen betreibt 46 Nobelhotels, Züge und Flusskreuzfahrtschiffe, darunter das Cipriani in Venedig, das Grand Hotel Europe in Sankt Petersburg und den Venice Simplon-Orient-Express. Die beiden Marken Cheval Blanc und Belmond sollen erhalten bleiben. (9)


DER Touristik: Hotelmarken werden aufgefrischt

DER Hotels & Resorts, eine Tochter von DER Touristik, gebietet über insgesamt 38 Häuser der Marken LTI, Calimera und Prima Sol. Das schon etwas angestaubte Image dieser Marken soll nun aufpoliert werden. Im Zentrum der Bemühungen stehen Club Calimera und LTI, deren Häuser sukzessive auf neue Kundenbedürfnisse ausgerichtet und entsprechend umgebaut werden. Das Ziel ist es, dem bisher uneinheitlichen Erscheinungsbild der Hotels ein wiedererkennbares Markenkonzept zu geben.

Das Clubkonzept Calimera soll sich unter dem Motto "Have a nice day" stärker auf die Bedürfnisse von Familien ausrichten. Zu den baulichen Maßnahmen in den Häusern zählen unter anderem ein Familienzimmer mit einer Spiel- und Bücherecke sowie Gemeinschaftstische für mehrere Familien in den Restaurants. Die Premiummarke LTI soll unter dem Motto "Leben. Träumen. Innehalten" als Adults-Friendly-Hotel positioniert werden. Die Häuser sollen unter anderem mit kleinen Weinrestaurants, Bücherlounges in den Empfangsbereichen und Fitnesszimmern ausgestattet werden. Da die Hotels überwiegend als Franchise-Betriebe an DER Touristik gebunden sind, wird die Zusage der Hotelpartner benötigt, die auch für die Finanzierung zuständig sind. Die Umgestaltung erfolgt anhand von Konzeptbüchern, die Franchise-Partner haben aber einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung. Der Markenrelaunch soll bis 2020 umgesetzt werden.

Primasol wird nicht abseits bleiben. Auch die Häuer der Preiswertmarke sollen modernisiert und neu positioniert werden. (10)



Zahlen & Fakten


Abbildung 1: Nur Thüringen leicht im Minus
Zahl der Übernachtungen in den Bundesländern
Übernachtungen 2018 in Mio.Differenz zum Vorjahr
Bayern98,704,6%
Baden-Württemberg54,863,6%
Nordrhein-Westfalen51,930,8%
Niedersachsen44,953,4%
Hessen 34,741,9%
Schleswig-Holstein34,4515,3%
Berlin32,875,5%
Mecklenburg-Vorpommern30,883,9%
Rheinland-Pfalz22,601,7%
Sachsen20,092,9%
Hamburg14,535,1%
Brandenburg13,553,5%
Thüringen9,96-0,7%
Sachsen-Anhalt8,231,2%
Saarland3,162,3%
Bremen2,595,8%
gesamt477,604,0%
Quelle: Statistisches Bundesamt

Entnommen aus: fvw, 5/2019, S. 94 bis 97, (1)
Abbildung 2: Wenige Große beherrschen den Markt

Entnommen aus: fvw, 2/2019, S. 38 bis 39, (8)

Weiterführende Literatur:

(1.) Schleswig-Holstein überholt Mecklenburg-Vorpommern
aus fvw 5 vom 01.03.2019 Seite 094 bis 097

(2.) Neuntes Jahr in Folge - Gastgewerbe befürchtet 2019 nur noch halbiertes Wachstum
aus Handelsblatt online vom 18.02.2019

(3.) Umsätze und Umsatzentwicklung im Gastgewerbe
aus Handelsblatt online vom 18.02.2019

(4.) Top-Zahlen, aber keine Euphorie
aus Handelsblatt online vom 18.02.2019

(5.) Ketten und Technik drängen auf den Markt
aus Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung 10 vom 09.03.2019 Seite 001

(6.) Ohne die Portale geht es kaum
aus Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung 9 vom 02.03.2019 Seite 023 bis 024

(7.) Reiseportale investieren in eigene Hotels
aus Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung 13 vom 30.03.2019 Seite 001

(8.) Ende des Wachstums bislang nicht in Sicht
aus fvw 2 vom 18.01.2019 Seite 038 bis 039

(9.) LVMH übernimmt Cipriani-Besitzer
aus Börsen-Zeitung vom 15.12.2018, Nr. 242, S. 7

(10.) DER frischt Hotelmarken auf
aus fvw 5 vom 01.03.2019 Seite 064 bis 065

Markus Hofstetter

Metainformationen

Quelle: GENIOS BranchenWissen Nr. 05 vom 07.05.2019
Dokument-ID: s_tou_20190507

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